Personae der Scivias



Carolus Parvus


Der kleine Carolus kam im gleichen Herbst zur Welt, als der heilige Erzbischof von Köln, Engelbert von Berg, hinterrücks blutig ermordet wurde. Es geschah im Jahre des Herrn M° CC° XX° V°. Der Herr schenkt das Leben und er nimmt es auch wieder.
Der Erzbischof von Köln und Graf von Berg war aber ein kluger Mann. So sorgte er schon zu Lebzeiten um sein Seelenheil: Er stiftete viele Memorien. Unter anderem schenkte er dem Kloster Dünnwald einen Hof mit all seinem Zubehör, der ganz in der nähe lag. Dafür baten die Nonnen IHS und die Heiligen täglich um die Aufnahme seiner Seele im Himmelreich.

Auf dem genannten Hof aber wuchs der kleine Carolus auf. Die Nonnen kümmerten sich liebevoll um die Dorfbewohner und durch die Arbeit für den neuen Grundherren wurde schnell eine neue Freundschaft geschlossen.
Weil der kleine so gerne die alten Geschichten von preisenswerten Helden, von großer Mühsal, von Freuden, höfischen Festen, von Weinen und von Klagen und vom Zweikampf kühner Recken hörte, lehrten ihn die Nonnen die Schriften lesen und auch schreiben.
Das war ihm von großem Nutzen: Eines Markttages sollen sich die Ratsherren von Köln und der Graf von Berg um ihn gestritten haben. Als Stadtschreiber wollten ihn die einen, als Hofnotar der andere.
Dennoch soll er sich für den Dritten entschieden haben: zum Lobe des obersten Herren zieht der kleine Carolus seither durch die Landen, um dem Herrn ein neues Lied zu singen und die schönsten Geschichten, die der Herrgott den Menschen geschenkt hat, aufzuschreiben, um vielleicht eines Tages sein Antlitz schauen zu dürfen.